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Ludwig
Wittgenstein hat Gottlob Frege sein Leben lang als profunden Denker und auch
als Mensch geschätzt. Vgl. Erich Recks Aufsatz »Wittgenstein’s
„great debt“ to Frege« in From Frege to
Wittgenstein: Perspectives of Early Analytic Philosophy, Erich H. Reck,
ed.; Oxford University Press; New York; 2002 oder auch Cora Diamonds Beitrag „Inheriting
from Frege: the work of reception, as Wittgenstein did it“ zu The Cambridge Companion de Frege,
Michael Potter and Tom Ricketts, ed.; Cambridge University Press; Cambridge; 2010, in dem sie eine Parallele sieht zwischen
der Art, in der Frege den genialen Philosophen Immanuel Kant kritisch
diskutiert, und Wittgensteins kritische Behandlung Freges im Tractatus, der zu einem viel größeren
Teil direkt von den Diskussionen mit Frege inspiriert ist, als gemeinhin
angenommen wird, wenn man den Tractatus
im Wesentlichen als Weiterentwicklung des Logizismus von Russell und als
Verwerfung der Thesen Freges sehen will. Wittgenstein, ganz anders ans Baker
& Hacker, zum Beispiel (Logical
Excavations), die in Frege einen halben Mathematiker und einen halben
Philosophen sehen, also niemanden, den man wirklich ernst nehmen muss, und im
Unterschied zu den Zeitgenossen Freges, die seine Revolution der Logik kaum
wahrgenommen haben, hat Wittgenstein die philosophische Tiefe des Logikers aus
Wismar zum Kompass seiner eigenen philosophischen Suche gemacht.
Schon Hans Sluga
hat darauf hingewiesen („Truth before Tarski“ in Alfred Tarski and the Vienna Circle, J. Wolenski & E. Köhler,
eds.; Kluver; Dordrecht; 1999), dass wir
den Fortschritt in unserer formalen Beherrschung der Wahrheit damit erkauft
haben, dass „uns einige der tiefsten Einsichten in Bezug auf das philosophische
Problem der Wahrheit entschlüpft sind.“ (zitiert nach Cora Diamond: „Truth
before Tarski“ in Erich Reck ed., op.cit.); in etwa die selbe Richtung zielen
auch Arbeiten von van Heijenoort, Hintikka, Ricketts, Goldfarb, Conant, Haaparante,
Weiner, u.v.a.m.
Meine nächsten
Beiträge werden wohl zunächst in der Hauptsache Berichte sein über die
Sichtweise, die diese und andere Autoren über die Rezeption Freges durch
Wittgenstein und inwieweit eine Revision dieses Aspekts der Geschichte der
(analytischen) Philosophie auch eine neue Diskussion des Tractatus selber notwendig macht. Im Zuge dieser Betrachtung werden
wir sicher auch über Conants Unterscheidung zwischen „standard“ oder „orthodoxen“
einerseits und „resoluten“ Wittgensteinlesern andererseits nachdenken.
Ich denke, damit
haben wir zunächst ein recht dichtes Programm.