Saturday, May 14, 2016

DE 0011 Sprache und Denken

# DE 0011

Ich glaube, wir sind nun zu dem Schluss gekommen, dass, wenn wir von 'denken' reden, normalerweise von Situationen reden, die es ohne menschliche Sprache nicht gäbe.

Die Frage, die allerdings schon vorher aufgetaucht war, war nun, ob das Zeitwort 'denken' nicht unabhängig von dieser Beobachtung einen inneren Vorgang bezeichnet, wie zum Beispiel, was ich tue, damit mir ein Wort einfällt, das in einem ansonsten fertig formulierten Satz vorkommt.

Zum Beispiel, was passiert zwischen der Formulierung des Gedankens: "Der Komponist der Symphonie Fantastique heißt ...." und des ein paar Sekunden oder Minuten, oder vielleicht Tagen später gedachten Ausdrucks "Hector Berlioz". Wir wollen hier nochmals ausdrücklich festhalten, dass es sich dabei nur um ein Beispiel eines bereits in Worte gefassten Gedankens handelt, zu dem nur ein Bestandteil fehlt, auf den ich dann später komme; dies ist aber keine zwingende Voraussetzung um überhaupt von Gedanken sprechen zu können. Zwischen den beiden Momenten, in denen ich zuerst den unvollständigen Gedanken ausspreche, und dann das erlösende Komplement, mag ich mir nun zuflüstern "wie heißt er bloß, wie heißt er bloß", oder ich mag versuchen dem Rat zu folgen "meinem Gehirn/meiner Erinnerung das Kommando zu geben: 'gib mir den Namen des Komponisten der Symphonie Fantastique' ", oder auch nicht. Was klar ist, ist dass es keinen bewussten Vorgang gibt der den einen Moment mit dem anderen verbindet. Ich kann mir nicht dabei "zusehen", wie ich es mache, dass mir 'Hector Berlioz' einfällt. Alles was ich feststellen kann, ist, dass ich den Namen zuerst nicht wusste, und dann wusste ich ihn plötzlich.

Ist das, was da passiert, die Essenz des Wortes 'denken'? Oder kann es allenfalls unter den richtigen Umständen gemeint sein?

* * * * *

Ich mache nun einen Gedankensprung (in Wirklichkeit hauptsächlich, weil ich inzwischen Sirup für die Kolibris im Garten gekocht und mir einen Kaffee gemacht habe). Ich glaube aber, es ist leicht nachzuvollziehen, was dazwischen liegt, ohne dass ich es auszuführen brauche. Ich habe die letzte Frage einfach einmal hypothetisch mit 'ja' beantwortet, obwohl ich davon überzeugt bin - wie ich ja mehrfach angedeutet habe - dass dies nicht die richtige Antwort ist. Und ich bin unter dieser Annahme dann einem möglichen Versuch auf der Spur, eine zufrieden stellende Antwort auf die empirische Frage "Was ist denken?" zu finden; nämlich das Denken mit gewissen neuronalen Aktivitäten zu identifizieren, was, wenn es zuträfe, uns vielleicht erlauben würde genau herauszufinden, was das Denken eigentlich ist, indem wir die entsprechende Hirnaktivität erforschen.

Wir wissen seit geraumer Zeit, dass wir ohne Hirn nicht denken können. Aber ohne Hirn können wir auch nicht sehen, nicht hören, nicht laufen und keinen Geschlechtsverkehr haben. Andererseits können wir das alles auch nicht ohne Kohlenstoff,  Phosphor, oder Eisen, ohne Licht, ohne Luft oder Wasser, ohne Beine und ohne einen Mann oder eine Frau. Niemand kommt auf die Idee zu glauben, er könne den Geschlechtsverkehr mit einer Hirnaktivität identifizieren (wie viel billiger käme uns der Sex! Sorry for the bad joke). Woher kommt die Idee, das Denken mit einer Hirnaktivität zu identifizieren?

Eine vollständige Antwort darauf muss Bezug auf unsere Kultur und Geistesgeschichte nehmen, denke ich; ein großer Teil der Vorstellungen, die dahinter stecken, können wir auf die gedankliche Revolution zurückführen, für die als wichtigster Exponent René Descartes steht. Eine kürzere Antwort mag feststellen wollen, dass wir im Unterschied zum Sehen, Hören, Laufen oder Kopulieren keine anderen materiellen Voraussetzungen brauchen (und Phosphor, etc., liegt ja auch der neuronalen Aktivität zugrunde). "Der Gedanke ist frei!" und etwas, was tief in meinem Innern abläuft, wenn überhaupt, dann nur mir direkt zugänglich. Eine Magnetresonanz mag Hirnströme identifizieren können. Aber was für Gedanken ich dabei habe, kann nur ich sagen. Das einzige, was ich dazu brauche, scheint die Hirnaktivität zu sein: also liegt der Schluss nahe: Denken = neuronale Aktivität. Es gibt wirklich Leute, die das glauben...

Eine andere Frage, die damit zusammenhängt, ist die nach der Möglichkeit der "künstlichen Intelligenz"; gemeint ist hier hautpsächlich eine Intelligenz, die auf einer künstlichen neuronalen Operation nach Algorithmen beruht; ich denke, dass es diese Frage war, die die ursprüngliche Opposition gegen die Auffassung, dass die Sprache eine Voraussetzung  des Denkens sei, motiviert hat, die schließlich diese ganze Diskussion ins Rollen gebracht hat. Ich weiß das aber nicht genau. Wir werden im Laufe der weiteren Diskussion auch versuchen diese letzte Frage in ein Licht zu rücken, das uns erlaubt die dahinter stehende (philosophische) Sorge zu zerstreuen.


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