Saturday, May 21, 2016

DE 0017 Sprache und Denken

# DE 0017

Uns sind zuletzt zwei Fragen übrig geblieben, (i) nach dem Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Denken (und der Sprache) und (ii) ob wir unter Bewusstsein wenigstens in einem beschränkten Sinn verstehen können, was Dennett versucht metaphorisch zu beschreiben. Wenden wir uns zunächst der ersten dieser beiden Fragen zu.

Bennett und Hacker sagen hierzu folgendes:

Das Bewusstsein von Tieren, die verschieden von uns selbst sind, setzt offensichtlich nicht den Besitz einer Sprache voraus. Und die rudimentären Formen de Denkens, die man den höheren Tieren zuschreiben kann, bedürfen nicht der Beherrschung einer Sprache. Entschieden menschliche Formen von Denken, Wollen und Affektion jedoch sehr wohl. [PFN, S. 337; PFN steht für Philosophical Foundations of Neuroscience]

Im Anschluss daran führen sie Gesichtspunkte mehrerer berühmter Wissenschaftler an, die in ihrem Standpunkt an unsere ursprüngliche Frage erinnern, die ganz am Anfang dieser Diskussion stand. Zum Beispiel Antonio Damasio, der berühmt wurde mit seinem Buch Descartes' Error, macht folgende Feststellung:

Sprache, das heißt, Wörter und Sätze, ist eine Übersetzung von etwas anderem, eine Umwandlung von nicht-sprachlichen Bildern, die Einheiten, Geschehnisse, Beziehungen und Schlussfolgerungen vertreten. Wenn die Sprache für das Selbst und für das Bewusstsein auf die gleiche Weise arbeitet, wie es für alles andere arbeitet, das heißt, indem es mit Hilfe von Worten und Sätzen symbolisiert, was zuerst in nicht-verbaler Form besteht, dann muss es ein nicht-verbales Selbst und ein nicht-verbales Wissen davon geben, wovon die Wörter 'ich' oder 'mir' oder der Ausdruck 'ich weiß' die geeignete Übersetzung in jede beliebige Sprache sind. [Zitiert nach PFN aus: Damasio, The Feeling of What Happens; Heinemann, London, 1999; p. 107]

Ein damit verwandter aber etwas anderer Einwand gegen die Idee, dass die Sprache für das menschliche Denken eine wesentliche Voraussetzung ist, kommt unter anderen von Roger Penrose mit Berufung auf Albert Einstein und andere, in dem Sinn, dass bei mathematischen Operationen die Wort-Sprache eher stört; um seine physikalischen Theorien aufzustellen verlasse er sich vollkommen auf mathematische Symbole.

Ich habe schon angedeutet, dass die Annahme falsch ist, die Bedeutung der Wörter sei das Objekt, von dem wir sprechen; obiges Zitat von Damasio beruht zum Teil auf dieser Annahme. Wir werden uns demnächst ausführlicher damit beschäftigen müssen, weil es ein Irrtum ist, der sich durch die gesamte Geschichte der Moderne zieht, mindestens seit Hobbes und Locke, wie PFN zeigt, und deshalb wohl ein tief sitzendes Vorurteil vertritt. Das Zitat ist aber auch noch in anderer Hinsicht Ausdruck begrifflicher Verwirrung.

Leichter ist es zu zeigen, dass der Einwand von Penrose (oder von Einstein, wenn er als einer gemeint sein sollte) kein wirklicher Einwand ist. Mathematische Symbole sind Abkürzungen, die auf Definitionen in der Alltagssprache beruhen (ich bin sicher, dass sich Einstein darüber vollkommen im klaren war). Es wäre in der Tat unmöglich einen komplizierten mathematischen Beweis in Alltagssprache zu formulieren oder über ihn nachzudenken. Aber das macht den mathematischen Symbolismus nicht unabhängig von der Sprache. Und wir wollen ja auch nicht vergessen, was wir schon mehrfach betont haben: die Abhängigkeit menschlichen Denkens von der menschlichen Sprache besteht ausdrücklich nicht darin, dass wir still zu uns selber sprechen, wenn wir denken. Ganz im Gegenteil: normalerweise wissen wir, was wir sagen wollen, und sagen es dann direkt heraus, ohne es vorher (oder gleichzeitig) still zu uns selber zu sagen. Wie ich schon zu Beginn versucht habe zu verstehen zu geben, niemand, dass ich wüsste, verteidigt einen so absurden Standpunkt.


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