Wednesday, May 11, 2016

DE 0007 Sprache und Denken

# DE 0007

Dass das Zeitwort 'denken' einen inneren, im Grunde unfassbaren Vorgang bezeichnen soll, ist eines jener tief sitzenden Vorurteile, von denen Wittgenstein spricht, die keine dummen Vorurteile sind. Jedenfalls gibt es einen ganzen Zweig der Philosophie, der auf diesem und ähnlichen Vorurteilen aufbaut, und auch wenn ich persönlich glaube, dass er für eine unglückliche Entwicklung der westlichen Philosophie steht, da sie über Stufen überwunden geglaubter Verwirrungen klettert, kann ich sie doch nicht ignorieren. Der Engländer Peter Hacker, ein berühmter Wittgenstein-Gelehrter, und Maxwell Bennett, ein australischer Neurowissenschafter  haben ein dickes Buch geschrieben um diese Art von Vorurteil in den Neurowissenschaften zu untergraben; mir gefällt der Diskussionsstil der beiden nicht, aber vieles von dem, was sie sagen, trifft meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf.

Da es sich um ein tiefes und nicht dummes Vorurteil handelt, gibt es kein einfaches und kurzes Argument um es auszuräumen. Ich werde wohl auch auf die eine oder andere Idee aus dem erwähnten Buch zurückgreifen: Philosophical Foundations of Neuroscience; M. R. Bennett and P. M. S. Hacker; Blackwell Publishing; Malden, USA; Oxford, UK; Carlton, Australia; 2003.

* * * * *

Bevor wir in dieser Richtung fortschreiten können, müssen wir allerdings ein paar neue Einwendungen zu Antworten bedienen, die wir zu früheren Fragen gegeben haben. Diese Einwendungen beziehen sich allerdings nicht auf etwas was ich geschrieben habe, sondern auf die Textstellen von Wittgenstein, die ich zitiert habe.

Meine philosophische Überzeugungen kann ich zu einem ganz großen Teil auf Dinge zurückführen, die ich bei Wittgenstein gelesen habe, oder beim Studium von Kommentaren zu Wittgenstein. Wenn ich Wittgenstein hier zitiert habe, dann nicht so sehr weil ich mich direkt auf Aussagen von ihm für mein Argument stützen wollte, sondern weil ich den Eindruck vermeiden wollte, dass, was ich sage, auf meinem Mist gewachsen ist. Ich bin kein besonders origineller Denker.

Wittgenstein ist ein sehr schwieriger Autor, den man sehr, sehr leicht missversteht; zumal wenn man nur ein Schnipsel von seinem Text vorgesetzt bekommt. Und auch, wenn man ihn gründlich studiert, nehmen die Missverständnisse kein Ende; bei berühmten Denkern, und bei Studenten erst recht. Ein Prinzip, das Wittgenstein bei der Abfassung seiner Texte eingehalten zu haben scheint, lautet: "Man darf dem Leser das Denken nicht ersparen [wollen]." Wittgenstein versteht, was er sagt, hauptsächlich als Anregung zum Selberdenken, nicht als weitläufige Beschreibung, die man einfach nur hinunterzuschlucken braucht.

Auf der anderen Seite, jedoch, konnte ich letztendlich der Verführung nicht widerstehen, den Versuch zu machen ein Stückchen Text von Wittgenstein ein bisschen zu kommentieren, für jemanden, der sich nicht so lange wie ich mit seinen Schriften beschäftigt hat. Wie weit das von Erfolg gekrönt sein kann, ist eine andere Frage.

Die Einwände, die wir auszuräumen haben, sind mehr oder weniger wörtlich die folgenden:

"Bei den Antworten (zumindest in den zitierten Auszügen) schwindelt [Wittgenstein] sich ... um eine saubere Abhandlung herum. Er benennt Denkprozesse aus denen sprachliche Formulierungen entstehen als "Absicht" , "Sprechenwollen" oder "Vorstellung des Redens" und folgert aus der Tatsache, dass dies "Sprechen können" voraussetzt, dass diese Denkprozesse ausschließlich sprachbezogen sind ... sehr dürftig!

Ich möchte ... gar nicht bestreiten, dass alles Denken rund um das Verarbeiten und Erzeugen sprachlicher Inhalte (z.B. weil ich mich mitteilen oder mit einem Mitmenschen sprachlich austauschen will)  mehr oder weniger mit der jeweiligen Sprache in enger Verbindung steht.
Nur kann man doch aus dieser Verbindung nicht den Umkehrschluss ziehen und behaupten, dass alles Denken in enger Verbindung mit Sprache stehen muss - oder?
Ein ähnlich falscher Umkehrschluss wäre z.B. ... wenn ich keine sprachlichen Inhalten denke, denke ich nicht .. das wäre eine fundamentale Einschränkung des Begriffs Denken die - wie schon einmal gesagt - mit meinem Begriff Denken nicht viel zu tun hätte."

Unser nächster Beitrag wird also versuchen auf diese Einwendungen einzugehen, nicht so sehr, wie schon angedeutet, um in unserer Diskussion der ursprünglich aufgeworfenen Fragen weiterzukommen - obwohl das vielleicht auch dazu beitragen mag - sondern eher um ein besseres Verständnis des einen oder anderen Aspekts von Wittgensteins Philosophie zu schaffen. Man wird mir dabei vieles einfach glauben müssen, denn die Textstelle ist sehr kurz und begrenzt in dem, was sie für unser allgemeines Verständnis hergeben mag.


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