Sunday, May 15, 2016

DE 0012 Sprache und Denken

# DE 0012

In Philosophical Foundations of Neuroscience, M.R. Bennett und P.M.S. Hacker behandeln das Thema 'denken' im Abschnitt 6.2, von der Seite 175 bis 180, auf knapp 5 Seiten. Es ist klar, dass es dazu viele vorbereitende Argumente gibt, auf die wir hier nicht eingehen können, und die zu einem vollen Verständnis dessen, was die beiden zum Thema zu sagen haben, notwendig sind. Aber auch so, glaube ich, kann uns eine Zusammenfassung nur dieses Abschnitts in unseren Überlegungen weiterbringen.

Die Untersuchung beginnt damit, Ähnlichkeiten und Unterschiede von glauben und denken aufzuzeigen. Manchmal besteht kein Unterschied, stellen sie fest, wenn man statt 'glauben' und 'denken' auch 'meinen' sagen kann. Trotzdem ist denken und glauben keineswegs dasselbe:

"Man kann mit denken beschäftigt sein, aber nicht mit glauben und kann deshalb beim denken unterbrochen werden, aber nicht beim glauben. Man kann ein Problem durch-denken, aber nicht durch-glauben, über eine Lösung nach-denken oder sie er-denken. Die Antwort auf die Frage er-denken ist nicht dasselbe, wie sie glauben. Man kann laut oder still, schnell oder langsam, effizient oder ineffizient, produktiv oder unproduktiv denken, aber nicht glauben. Man kann einer Person, ein Gerücht oder eine Geschichte glauben, aber nicht denken, wie man, in der Tat, an eine Person, an Gott, oder eine Sache glauben kann, aber nicht denken [auf englisch; auf deutsch geht das; aber natürlich ist auch auf deutsch 'an Gott glauben' nicht dasselbe wie 'an Gott denken']."

Als nächstes werden wir daran erinnert, dass denken vielen verschiedenen logischen Kategorien angehören mag. Wie schon der vorige Absatz zum Teil durch Beispiele zeigt, kann denken etwas sein, was einfach geschieht, etwas, was ich tue, etwas, mit dem ich beschäftigt bin, wenn ich mich auf etwas konzentriere; oder manchmal sagt denken nur, dass ich eine Meinung habe. Der Witz von all dem ist uns darauf hinzuweisen, dass unsere Idee von 'denken', inspiriert in der Statue von Auguste Rodin "der Denker", unzureichend ist: nur dasitzen, das Kinn auf die Hand gestützt, die Brauen zusammengezogen, ohne äußere Aktivität. Denken ist mehr als das.

Als Überschriften für verschiedene Arten von Denken, zu denen jeweils eine Reihe von Beispielen angeführt werden, schlagen Bennett und Hacker vor:

  • Denken als sich einer anstehenden Aufgabe widmen
  • Denken als intelligente Beschäftigung mit einer Aktivität
  • Denken als intelligente Sprache
  • Denken als meinen, urteilen, unterstellen, annehmen
  • Denken als assoziieren und erinnern
  • Denken als eine Art von vorstellen
  • Denken und etwas (als etwas, auf eine bestimmte Weise) meinen
  • Denken und vernünftige Problemlösung
  • Denken, freies Gedankenspiel und Vorstellen
Eine der Folgen dieser Feststellung ist, dass die Identifizierung von zum Beispiel assoziativem Denken mit dem Aufleuchten gewisser Regionen des Zentralnervensystems bei einem PET oder fMRI mit Denken schlechthin zu identifizieren, eine ungerechtfertigte Verallgemeinerung darstellt.

Aber der wichtigste Punkt dieser Aufzählung ist, dass es entgegen einer Redeweise (hauptsächlich der Neurowissenschaftler) nicht das Hirn ist, das denkt, sondern die Person, der das Hirn gehört. Aber nicht nur ist das Gehirn nicht das Subjekt des Denkens (sondern die Person), sondern das Hirn ist auch nicht der Ort des Denkens, sagen die Autoren. "...Denken geschieht nicht im Gehirn, sondern im Arbeitszimmer, in der Bibliothek, oder bei einem Spaziergang. Der Ort des Vorgangs in dem eine Person einen gewissen Gedanken denkt, ist der Ort, an dem sich die Person befindet, wenn ihr der Gedanke einfällt. Gedanken findet man niedergeschrieben in Texten, nicht in den Köpfen von Menschen. Gedanken werden von Menschen ausgedrückt, nicht von Hirnen. Denn ein Gedanke ist genau was mittels eines Ausspruchs oder einer anderen symbolischen Darstellung ausgedrückt werden kann. Die Tatsache, dass Menschen denken können ohne zu sagen, was sie denken, bedeutet nicht, dass was sie dann denken wird innerhalb ihres Hirns gesagt oder sonst irgendwie ausgedrückt." Es mag naheliegend scheinen zu sagen, das Hirn ist das Organ des Denkens, so wie das Auge des Organs des Sehens ist. "Denn man sieht mit seinen Augen (man bringt seine Augen näher an das Objekt in Beobachtung, um es besser zu sehen), aber man denkt nicht, in diesem Sinn, mit seinem Hirn. Und man denkt auch nicht mit dem Hirn in dem Sinn, in dem man mit den Beinen geht oder Essen mit dem Magen verdaut." Aussprüche wie "benütze dein Hirn!" um zu verlangen, dass der andere nachdenken soll, statt gedankenlos herauszuplatzen, sind nur als Metaphern zu verstehen.

Nach diesem Ausflug, können wir wieder nächstens auf unser eigentliches Problem zurückkommen. Mir ist klar, dass es eine Menge möglicher Einwände gegen diese Darstellung der Dinge gibt. Wir können auch darüber reden, zum Beispiel, dass die Wissenschaftler doch sicher das recht haben, ihrer Sprache eine spezielle Bedeutung zu geben, weshalb die obigen Beispiele, die allesamt der Alltagssprache entnommen sind, für die Überlegungen der Neurowissenschaftler bedeutungslos sind. Wir können auch davon reden, vor allem wenn es notwendig ist um zu einem Schluss bei der Diskussion unseres Problems kommen.

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