Friday, May 27, 2016

DE 0021 Sprache und Denken

# DE 0021

Wir stellten im Beitrag DE 0019 fest, dass wir den Begriff der Farbe brauchen, wenn wir ein Farbenwort wie 'rot' richtig verwenden wollen. Ich will nun versuchen das ein bisschen mit Überlegungen zu untermauern, die um den Begriff 'Begriff' kreisen.

Bennett und Hacker (2003, 339) stellen zunächst einmal fest, dass Begriffe weder geistige Bilder sind, noch die Fähigkeit, geistige Bilder zu haben, noch Konstruktionen des Zentralnervensystems, die die eigenen Reaktionen zuordnen - wie Edelmann und Tononi vorschlagen, sondern Abstraktionen von der Verwendung eines Wortes. So teilen deutsche, englische, französische Sprecher einen Begriff, wenn sie in ihrer jeweiligen Sprache 'Schnee', 'snow', 'neige' bzw. 'nieve' richtig verwenden. Statt 'Abstraktion', denke ich, könnte man auch 'Verallgemeinerung' sagen, dann wird der Zusammenhang mit der Verwendung des Wortes deutlicher und es wird leichter zu sehen, dass die Gleichheit des Begriffes von diesen verschiedenen Sprechern nicht davon abhängt, dass sie alle das gleiche Bild eines weißen kalten Pulvers vor ihrem inneren Auge erzeugen (können), wenn sie an Schnee denken (ein Mann in französisch Guayana muss überhaupt keinen bildlichen oder sonstigen Sinneseindruck, etwa seine Kälte, von Schnee haben, um einen Begriff davon zu haben). Wie ist das mit einem Wort wie 'Schulden'? Aufgrund der Beschreibung der Situation 'Kärnten schuldet bundesweit den Steuerzahlern 15 Milliarden Euro' und 'Helga schuldet ihrem Friseur das Honorar für die Schönheitsbehandlung vom letzten Freitag' lässt sich allgemein feststellen, dass ich das Wort 'schulden' unabhängig von der konkreten Situation richtig verstehe und verwenden kann. Ich hätte keine Ahnung, was da ein gemeinsames Bild sein könnte. Bennett und Hacker sagen dazu:

Für eine gewisse Art von Begriffen (aber nicht für alle) hat jemand, der einen Begriff B hat, die Fähigkeit Fälle zu erkennen, die unter ihn fallen; Dinge zu unterscheiden, die B sind, von solchen, die dies nicht sind. Wenn B zu sein die Folge hat, C zu sein aber nicht D, dann ist es ein Kriterium dafür, dass jemand den Begriff B nicht beherrscht, wenn er ihn einem Gegenstand zuschreibt und zugleich leugnet, dass der Gegenstand C ist oder behauptet, er wäre D. (340)

Es genügt nicht rot von blau zu unterscheiden, sondern man muss wissen, wie man das Wort 'rot' in den verschiedensten Umständen richtig verwendet: Ausgedehnte Gegenstände können rot sein, Gerüche nicht, und auch nicht, wie mir das Schmalzbrot schmeckt. Eine Oberfläche, die ganz rot ist, kann nicht gleichzeitig ganz blau sind, und so weiter (Bennett und Hacker, 2003, 340-341).

Das ist so, wie wir ungefähr ja schon gesehen, haben, weil unser Zusammenleben zu komplex ist, als dass das bloße Wiedererkennen für die Zuschreibung von Begriffen genügen würde; auch wenn ein Hund andere Hunde von Katzen unterscheiden kann, hat er in unserem normal Sinn von 'Begriff' den Begriff 'Hund' und 'Katze' nicht. Wir könnten den Begriff 'Begriff' so verdünnen, stellen Bennett und Hacker fest, dass wir auch Hunden den Besitz von Begriffen zuschreiben könnten. Aber es ist schwer einzusehen, welchen Vorteil das hätte. Klarer wird dadurch nichts, und Entdeckung ist das schon gar keine.

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Wir haben im Prinzip auch schon ziemlich zu Anfang festgestellt, dass wir nicht wortlose Gedanken übersetzen, wenn wir sprechen. Wir verwenden allerdings häufig Ausdrücke, die suggerieren, dass sich das Denken in einem bestimmten Medium abspielt, aus dem dann eben in die hörbare Sprache übersetzt wird. Ich selber sage zum Beispiel recht häufig, dass ich auf deutsch oder spanisch oder englisch denke, wenn ich in meinem Notizbuch eine Eintragung in einer dieser Sprachen mache. Was ich damit allerdings meine, ist nicht, dass ich einen Satz zuerst in einer dieser Sprachen denke, bevor ich ihn laut ausspreche oder niederschreibe; eher im Gegenteil. Ich "denke auf spanisch", weil ich nicht erst einen deutschen Ausdruck mühsam ins spanische übersetzen muss, sondern ich sage oder schreibe einfach auf spanisch, was ich sagen will. Das ist alles, was damit gemeint ist. Natürlich suche ich manchmal einen spanischen Ausdruck, für den mir zuerst der deutsche einfällt, oder umgekehrt. Aber das ist nicht anders, als wenn mir ein deutscher Ausdruck nicht einfällt, und ich sage "ich habe ihn auf der Zungenspitze - warte mal; er kommt gleich." Hier fehlt mir einfach ein Ausdruck - es wird nichts übersetzt.

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Wahrscheinlich haben wir noch einige lose Enden übrig gelassen. Ich werde nächstens versuchen, diese aufzugreifen, und dann können wir vielleicht bald einmal daran denken, unsere ursprüngliche Frage als ausreichend behandelt anzusehen.

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