Monday, May 9, 2016

DE 0003 Sprache und Denken

DE 0003

Sprache und Denken

Ich hatte vor kurzem eine unglückliche Diskussion über den Zusammenhang von Sprache und Denken, genauer, über die Frage, ob und inwiefern das Denken vom Sprechen abhängt. Unglücklich deshalb, weil es mir in der Diskussion nicht gelungen ist, die Sorge meines Gesprächspartners zu identifizieren, die ihn veranlasst den Standpunkt als absurd abzutun, dass das Denken von der Sprache abhänge.

Ich werde also zunächst einmal versuchen zu erraten, aus dem was ich von der Diskussion erinnere und ansonsten mit Hilfe von Spekulationen, was meinen lieben Kontrahenten zu diesem Standpunkt führt.

Wenn ich den Standpunkt richtig verstehe, dann geht es im wesentlichen darum, dass die Sprache als im evolutiven Sinn späte Erwerbung der Art Mensch gesehen wird, die uns in ihrer Sophistikation von anderen Tierarten unterscheidet, während wir viele andere Charakteristika besonders mit uns evolutiv nahe stehenden Tierarten teilen, namentlich mit den Säugetieren. Eine dieser Charakteristika ist die Kapazität in einer Weise zu denken, die eben nicht von der Sprache abhängt; zum Beispiel, dass man (wenn man ein Hund ist) gegen einen oder zwei kleinere Hunde zum Angriff übergehen kann, dass man aber gegen ein Rudel von Hunden die Flucht ergreift [dieses Beispiel kopiere ich ungefähr von Michael Dummett's Origins of Analytical Philosophy, Harvard University Press; Cambridge, Mass.; 1996].

Gegenüber dieser grundsätzlichen Kapazität erscheint die sprachliche Kommunikation im menschlichen Sinn als etwas oberflächliches, als rein kulturelles Gut, das dem grundsätzlichen, instinktiven und auch reflexiven Verhalten, das wir mit anderen Säugetieren teilen, aufgepfropft ist, und keinen substantiellen evolutiven Unterschied macht.

In diesem Sinn ist das menschliche Handeln sehr viel mehr durch "primitive" Instinkte geprägt und das kulturelle Verhalten, zu dem auch die Sprache gehört, sitzt an der Oberfläche und wird leicht abgeschüttelt, wie man ja (manchmal zu unserem Entsetzen) in Extremsituationen oft beobachten muss.

Ich bin ein sehr einseitig gebildeter philosophischer Arbeiter und kann keinen bekannten Denker mit einer solchen Position identifizieren; es wäre aber erstaunlich, wenn es keinen gäbe. Wie immer es sich damit verhalten mag, ich will im nächsten Beitrag versuchen mich mit dieser Position auseinanderzusetzen. Mit etwas Glück, hören wir inzwischen ob ich die Position meines Gesprächspartners einigermaßen treffend wiedergegeben habe.


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