Tuesday, May 24, 2016

DE 0019 Sprache und Denken

# DE 0019

Ich will folgenden möglichen Einwand gegen das Beispiel im letzten Kommentar behandeln, bevor wir weitergehen.

"Es ist schon möglich, dass wir den Fehler des Ausländers nur entdecken, wenn er das Wort 'blau' falsch anwendet. Aber er wendet es doch nur falsch an, weil er das Bild von rot in seinem Geist mit einem falschen Namen belegt. Und das ist doch der springende Punkt."

Warum das Bild im Geist? Er hatte ein physisches rotes Auto vor Augen und sagte fälschlicherweise, es sei blau. Er konnte direkt die farbliche Eigenschaft des Autos nennen - wozu der Umweg über ein Bild im Geist, das niemand sehen kann, und das auch keineswegs vorhanden sein muss.

"Aber dann haben wir nicht die Verbindung zwischen dem Wort, und wie der Ausländer seine Bedeutung lernt - nämlich mit Hilfe eines Farbmusters."

Nun, wir alle lernen den Gebrauch der Farbwörter, indem wir die Farbnamen verschiedener färbiger Gegenstände lernen. Das ist alles, was wir brauchen, damit wir uns über Farben verständigen können. Und das ist auch alles, was wir mit sprachlichen Mitteln feststellen können. Wir machen ja zum Beispiel keinen MRS, wenn wir mit jemandem über die Farbe eines Autos reden (und das würde auch nichts nützen). Wir wissen, was er sagt, weil er die Worte so verwendet wie wir. Was dabei in seinem Zentralnervensystem vorgeht, hat mit der Beziehung zwischen Wort und Bedeutung nichts zu tun.

Der Ausländer mag ein Bild vor Augen haben, oder nicht, wenn er das rote Auto blau nennt. Es ist für den Ausgang der Sache vollkommen gleichgültig - und daher für unser Problem irrelevant.

Es geht ja hier auch um mehr, als um das Beispiel mit den Farben. Was dieses Beispiel zeigen soll, ist, dass wir im Prinzip die Bedeutung von Wörtern durch ihre Anwendung lernen. Und daher verhält es sich, wie Wittgenstein in Philosophische Untersuchungen feststellt:

43. Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes 'Bedeutung' -wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung - dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.

Nicht nur ist irrelevant, welche Farbe sich der Ausländer vorstellt, sofern er sich überhaupt eine vorstellt, wenn er "blau" sagt, es ist insgesamt gleichgültig für die Bedeutung der Wörter, welches Bild ich mit ihnen verknüpfe, wenn ich es ausspreche. Ich muss überhaupt nichts damit verknüpfen, solange ich es nur richtig verwende. Andernfalls wäre die sprachliche Verständigung so gut wie unmöglich, denn wir alle verbinden ganz sicher ganz verschiedene Vorstellungen mit den selben Wörtern; ich meine, verschiedene Personen unter einander, und die selben Personen zu verschiedenen Zeitpunkten. Es wäre vollkommen unmöglich zu wissen, wovon wir reden, und wir selber wüssten nicht, woran wir denken: wenn man bei 'rot' an ein rotes Auto denkt - ist es dann die Farbe, das Modell, die Zahl der Reifen, ob es zwei oder vier Türen hat... Wie sollen wir das entscheiden, außer indem wir wissen, dass 'rot' eine Farbe ist - und das ist etwas, was von unserem Umgang mit Begriffen abhängt. Ein reines Vorstellungsbild kann das nicht lösen.

Damit haben wir einen Übergang zum nächsten Thema.


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